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In loving memory ...

Es gab Zeiten, da war mein Struggle weitaus weniger komplex, als jetzt. Da bestand meine Sorge zum größten Teil darin, ob ich zwischen all dem Binge Watching zu einem Mittagsschläfchen und meinen 50 Seiten Uni-Lektüre komme, damit ich abends ausgeschlafen Trallafitti machen konnte Es gab Zeiten, da waren KiTa-Platz Mangel, Gender-Pay-Gap und Co die Themen „der Anderen“. Tat mir ja alles schrecklich leid, dass das alles so schwer ist für die Frauen und Mütter dieser Welt, aber ich muss jetzt leider Mittagsschlaf machen, heute Abend geh‘ ich nämlich Trallafitti machen! Es gab Zeiten, da habe ich meinen Müll nicht getrennt, konsumiert ohne Gewissensbisse – Kleidung, Lebensmittel, Alkohol, vielleicht auch mal andere Dinge. Es gab Zeiten, da war mir Greenwashing scheiß egal, reinwashing meines Gewissens jedoch nicht. Es gab Zeiten, da konnte ich die besten und qualifiziertesten Kommentaren dazu abgeben, wie eine „gute Mutter“ doch zu sein hat. Es gab Zeiten, das musste ich mich nur um mich kümmern. Me, myself and I. Und selbst das habe ich noch ziemlich oft ziemlich verkackt.

 

What now?  Now I care.              
Mit den Gedanken an dreckige Wäsche, Umweltschutz, unausgespülten Fläschchen, Weltpolitik, Windeln, die gewechselt werden wollen, ethische Fragestellungen in der Medizin und Plänen für’s Mittagessen stehe ich morgens auf. Ambivalenz trifft mich in jeder Handlung. Ich bin die, die das Stillen nach 4 Monaten dran gegeben hat, weil sie es psychisch nicht ausgehalten hat. Ich bin die, die sich vorher was ganz anderes vorgenommen hatte. Ich bin die, die nach jeder Minute Uni und Arbeit lechzt und sich darauf stürzt, wie eine hungrige Raubkatze, obwohl ich doch glücklich damit sein wollte, „nur“ zuhause zu sein. Aber was heißt schon nur? Dieses „Zuhause sein“ bedeutet den härtesten Job überhaupt. Unbezahlt. Ungesehen. Unterschätzt. Ich bin die, die manchmal dieses Elend mit dem Plastik vergisst, weil es oft schnell gehen muss, aber für Umweltschutz politisch aktiv wird.
Es gibt Tage, da bin ich schwerer damit beschäftigt, meine Gedanken zu sortieren, als Kinderlieder für meinen Sohn zu singen.

Welche Spiele sind in seinem Alter sinnvoll? Was wenn er später in der Schule geärgert wird? War ich gerade zu ungeduldig? Hätte ich mich gestern Abend nicht noch an den Schreibtisch setzen sollen? Wann kommt denn endlich das erste Zähnchen? Atmet er noch? Er schläft so lange! Kriegt er überhaupt mit, dass ich mich ab und zu während seiner „Oma-Zeit“ zurückziehe, um zu lernen? Fragt er mich irgendwann, warum wir überhaupt ein Auto besitzen, wenn wir doch jetzt schon alles hätten besser machen können? Wenn die Wissenschaftler uns den Scheiß doch längst schon um die Ohren gehauen haben? Werde ich Zeit finden, meine Hausarbeiten im Sommer zu schreiben? Wird er Freunde finden? Kriegt er eigentlich genug Nährstoffe, so wie ich den Brei koche? Mache ich dieses ganze Mutter-Ding eigentlich überhaupt richtig?         

 

Es gab Zeiten, da konnte ich den Struggle der „Großen“ nicht verstehen. Hier bin ich nun. Selbst groß. Selbst einer „dieser Erwachsenen“, die nur über „Erwachsenenthemen“ sprechen, Kaffee trinken, über die Arbeit sinnieren und viel schlauer tun als sie eigentlich sind.

Und ab und zu, bei einem richtig deepen Schluck kalten Kaffee, schließe ich die Augen – in loving memory of when I gave shit. Und wenn ich die Augen öffne, gebe ich halt doch wieder mehr als nur einen Shit, habe 6 Arme, 12 Gehirne und 24 Sorgen gleichzeitig und überlebe dieses Ding irgendwie. Can you feel it?

 

 

 

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