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Vom etwas anderen Studienbeginn.

 

Wieder studieren, yesss! 5 Monate nach Mäuserichs Geburt wollte sich mein Dasein als super moderne 21st-century-power-mommy mit akademischen Hintergrund als bewiesen wissen. 21st – bitte was? Na, mein Ideal eben. Also das neue. Also das richtige. Also das, was ich mir nicht in meinem kritisierenden Dasein als Irgendwann-vielleicht-mal-Mutter zurechtgelegt hatte. Lange Zeit vor Schwanger- und Mutterschaft habe ich mir nämlich überlegt, es würde mich glücklich machen, zuhause zu bleiben. Nur schlechte Mütter wollen wieder arbeiten gehen. Stillen muss auch 24/7/365 für die nächste 5 Jahre sein. Wer braucht schon sich selbst? Wofür bekommt man denn dann Kinder? 


Wütend auf mein arrogantes, naives nicht-mütterliches Ich, geplagt von Wochenbettdepressionen, Still-Abneigungen und Panikattacken, überwältigt von unbändiger Mutterliebe und gleichzeitigem Freiheitsdrang beschloss ich dann also, mich selbst zu suchen, neben ihm, dem kleinen Mäuserich. Immer ein „Darf ich das?“ im Hinterkopf, immer ein „Ich schaffe das niemals!“ auf den Lippen, immer ein „Gute Mütter tun das doch nicht!“ im Nacken.

 

Also unterdrückte ich meine Morgens-Mittags-Abends-Übelkeit bei Master-Auswahlgesprächen, schob meine Kugel durch die letzten Bachelorseminare, klatschte der Ruhr Uni Bochum meine Bachelorarbeit vor ihre nicht geschwollenen Füße und immatrikulierte mich nur wenige Zeit vor der 30-stündigen Niederkunft für den Master „Ethik und Organisation“ an der Universität Witten-Herdecke, dem Mekka für alternative Öko-Mütter, wie mir scheint.

 

Mit einem Plan in der Hand und ein bisschen Selbstständigkeit in greifbarer Zukunft ließ sich so ein Wochenbett schon etwas besser „absolvieren“. Nachdem ich erfuhr, was mütterliche Isolation bedeutet – nämlich allein dieser überfordernden Liebe und den vielen Zweifeln zu sein – gelang es mir nach und nach, meinen geliebten Milchschaum-Kaffee mal wieder öfter außerhalb zu trinken. Mit dem Mäuserich in der Trage vor meiner Brust und einer guten Freundin auf der anderen Seite des Tisches. „Let’s do this!“, dachte ich mir voller Tatendrang. „Fuck you!“, dachte sich Corona.

 

Am 13.03. wurde beschlossen, den Semesterstart auf den 20.04. zu verlegen. Ich strich den eifrig eingezeichneten Semesterstart also durch und verschob ihn entsprechend weniger eifrig in meinem Kalender.

 

„Du kommst nicht vorbei!“, schreit der Virologe Gandalf Drosten und versperrt mir den Zugang zu den heiligen Hallen meiner neuen Alma Mater. Mit meinem Gewissen bis aufs kleinste Detail ausgehandelt hatte ich die Zeiten, in denen ich ungehemmt in diesen Räumen in meiner Rolle als Studentin mit Textmarker-Strichen und schlauen Argumenten um mich schmeißen wollte. Jetzt schmeiße ich zuhause um mich. Und verhandle wieder mit meinem schlechten Gewissen. Wie oft sollte ein Maschinenbau-Promovend im Home Office während seiner offiziellen Arbeitszeiten als Ehemann und Vater rekrutiert werden? Und wofür? Für kritische Notfälle? Zur Förderung alleiniger Toilettengänge und Kaffeepausen seiner Frau? Oder einfach gar nicht? Mal überlegen, liebes Gewissen, ab wann bin ich denn keine gute Mutter mehr? Ab da lass ich’s dann! Versprochen!

 

Diese Woche ist es soweit – das Semester startet in digitaler Form. Trotz der Möglichkeit, nun von zuhause aus mit schlauen Argumenten um mich zu werfen (also mehr als sowieso schon), mussten wir nun doch zwei sich abwechselnde außerhäusliche Betreuungskräfte aka. Omas beauftragen, zeitweise auf ein wild durch die Gegend robbendes, süßes, quiekendes Kraftpaket aufzupassen.

 

Nach meinem ersten Kurs nach fast einem Jahr akademischer Abstinenz muss ich sagen – und ich hoffe, ich erinnere mich daran, wenn ich demnächst abends breibeschmiert und heulend über meiner fälligen Hausarbeit zusammenbreche – ich habe es vermisst. Die mal mehr mal weniger monotone Stimme eines/r Dozent/in, den Drang, alles mitzuschreiben und zu unterstreichen, was nicht bei Drei in der Nicht-Klausurrelevant-Schublade verschwunden ist, die Neugierde, den Wissensdurst, das Gefühl, weiterzukommen.

 

Ich freue mich auf weitere Seminareinheiten, die ich ungeduscht und nur partiell vernünftig gekleidet vor meinem Laptop verbringen darf. Ich sage weiterhin: „Let’s do this!“ und füge ein freundliches „Fuck you, Corona!“ hinzu.

 

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